Die Zeit der Zukunftsgestalter ist gekommen…
…oder nicht? Wo liegen die Schwierigkeiten in unserem Rollenverständnis des Zukunfts- / Rahmengestalters?
Ist die Zeit wirklich reif für die „Un- / Anti-Berater“?
Werden kreative Hofnarren, oder wie Gunter Dueck sagen würde „Wild Ducks“ (Querdenker) mittlerweile in Firmen „geduldet“ oder ist der Drang nach Konformität aka „Prozesshörigkeit“ noch vorherrschend?
Das Dilemma liegt aus meiner Sicht in der Wechselwirkung zwischen dem Berater- und dem Auftraggeber- /Klientensystem.
Firmen suchen nach Beratern, die alles wissen, die alles können, die immer die Lösung am Besten gleich mit im Gepäck haben.
Man will ja auch nicht zu viel zahlen. Es muss schnell gehen. Es wird eben nach „echten Experten“ gesucht, die einem die Entscheidungen abnehmen können, oder im Fall eines Misserfolgs als Sündenbock dienen können.
Auch sollten die Beratungsergebnisse doch am Besten so sein, dass diese zu den eigenen Vorstellungen und Ideen passen. Bloß keine Experimente, da diese schnell schief gehen könnten. Hier kommen wir in die ungünstige 0-Fehler-Kultur, die wir gerade im deutschsprachigen Raum so gut beherrschen. Die aber für neue Lösungen, Lernen, Veränderungen eher kontraproduktiv ist. Fehler führen dazu, dass man nicht befördert wird. Also macht man das, was am ehesten funktioniert, was zumeist inkrementelle Verbesserungen des vorhandenen sind. Auch wenn das Vorhandene evtl. garnicht mehr zur Umwelt passt. Hauptsache man erreicht seine vorgegeben Ziele. Fehler machen ist dabei besonders für Berater ein no go. Dadurch würden diese ja ihre Berechtigung verlieren, für hohe Tagessätze ihren „Wissensschatz“ preiszugeben. Fehlerhafter Wissensschatz, wer will schon dafür bezahlen!? Also konzentriert man sich darauf, das zu liefern, was der Kunde eh schon im Kopf hat, was nicht allzu „neumodisch“ ist, da dabei auch das Risiko steigt, einmal daneben zu liegen.
Hinzu kommt, dass um Aufträge zu erhalten der Wunsch des Kunden nach der eierlegenden Wollmilchsau auf Seiten der Beraterzunft dazu geführt, dass der Satz „If you can’t make it, fake it“ (until you make it) zu einer echten Grundausrichtung geworden ist. Glaubt mir, ich war Mitarbeiter in international bekannten Consulting Companies und habe viele Bekannte die in diesem Bereich tätig sind und das Bild zeichnet sich überall wie beschrieben. Das Credo ist überall das Gleiche. Jeder kann immer alles. Nicht nur, weil man sich als Berater auch als etwas „besonderes fühlt“, da man einen der begehrtesten Jobs überhaupt ergattern konnte und damit „automatisch mehr kann als Andere“, sondern auch, weil die Firmen/Auftraggeber dies ja so fordern. Diese Attitude möchte ich gerne ablegen. Und zu einer neuen, wirklichen Partnerschaft weiterentwickeln.
Wenn ich früher gesagt hätte: „Warten Sie, ich kann das noch nicht wirklich was Sie von mir wollen, aber ich kann es mir bestimmt aneignen bzw. jemanden mit an Board holen, der hier unterstützen kann, so dass wir gemeinsam eine neue Lösung für Ihre Herausforderung finden“, hätte ich 0 Aufträge bekommen. Mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Aufstiegsmöglichkeiten bei der jeweiligen Beratungsfirma. Dort steigt man nämlich auf, wenn man eine hohe Auslastung hat. Also oft vom Kunden gebucht wird und der interne Berater Business Case sich positive gestaltet. Also versucht man als Berater den „Fuß in die Tür“ einer Organisation zu bekommen und das Geschäft dort auszubauen, da dies das übliche Geschäftsmodell von Beratungen darstellt.
Auch lebt man als klassischer Berater von Folgeaufträgen. Akquise ist sehr aufwendig, also versucht man das vorhandene auszubauen. Gleich die ganze Lösung perfekt „auszuliefern“, wäre da nicht ideal für das eigene Geschäftsmodell. So kann es auch einmal passieren, dass man bereits weiß, dass die angeratenen Maßnahmen, z.B. in diesem spezifischen Kontext, nicht zum gewünschten Ergebnis führen werden, aber die Tür für weitere Folgeaufträge öffnen.
Hätte ich bei Kunden gesagt, dass ich nicht alles kann, wäre ein Anderer gekommen und hätte genau das gesagt, was der Kunde hören will. Ob er es dann wirklich auch leisten kann, steht dabei auf einem anderen Zettel. Also kann und weiß man eben alles. Die Chance sich das notwendige Wissen anzueignen oder die Experimenten entstehenden Fehler auf andere zu schieben, besteht ja noch zu genüge…
Eine Wechselwirkung derer wir uns bewusst werden sollten, um diese aufbrechen und ändern zu können.
Denn wem hilft dieses Konstrukt zwischen Berater und Auftraggeber in welches man sich momentan „eingegroovt“ hat etwas? Mir persönlich nicht, da dies nicht mit meinen Werten vereinbar ist und dem Kunden auch nicht, da er glaubt er hat die „eierlegende Wollmilchsau“ eingekauft und dann liefert der Berater auch nur Konzepte aus der Vergangenheit… Oder Konzepte die in der Praxis nicht nutzbar sind bzw. nicht angenommen werden. Dies kann man dann immer noch leicht auf die Kultur bzw. die Nutzer schieben…
Ein mögliches Zielbild
Ein Zukunftsgestalter, oder auch Framework Designer versucht seltener alte Lösungen auf neue Probleme zu münzen, sondern weiß, dass in einem vernetzten System die Wechselwirkungen immer zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Aus diesem Grund muss die Vorgehensweise agiler, kleinteiliger sein und bedarf mehrerer Iterationen gepaart mit Beobachtungsphasen wie das System und seine Umwelt auf die Veränderung reagiert. Man könnte es auch Tests nennen, die oft noch fehlerbehaftet sind. Im Kontext von komplexen Problemen ist dies, aus meiner Sicht, die zurzeit bessere Vorgehensweise, denn (Experten)Wissen war Macht. Dies stellt aber keinen Mehrwert mehr da. Ein Kontext- und Komplexitätsverständnis mit der Fähigkeit unterschiedliche Systeme mit einer „freieren / externen Brille“ als diese zu betrachten und gemeinsam, schrittweise neue Lösungen zu entwickeln, wird in Zukunft unabdingbar.
Dazu gehört auch ein gemeinsames Ausprobieren und Zugeben können von „Nichtwissen“, ein Zulassen von gemeinsamen „Fehlerräumen“ oder besser Lernräumen, ohne das „blame game“ zu spielen. Eben echt echt, ganz echt partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Heutzutage würde man wohl sagen „auf Augenhöhe“. Dann finde ich, können wir dieses in Schieflage geratene Berater-/Klientensystem zusammen wieder sinnvoll nutzen. Das würde ich mir zumindest wünschen. 🙂