Ich, Jan Foelsing, will kein Berater sein. Doch warum?
Berater müssen alles wissen. Oder müssen zumindest so tun, als wüssten sie alles. Ich gehe aber davon aus, dass ich nicht alles weiß und, dass ich dies nie tun werde. Zu schnell verändert sich unsere Umwelt. Konstant und mit zunehmender Geschwindigkeit. Willkommen in der Netzwerkgesellschaft aka VUCA-World.
Auch bei Experten handelt es sich um Menschen, die in einem Bereich viel Erfahrung haben. Das ist doch super, könnte man denken. Das Land braucht mehr super schlaue Experten. Doch deren Wissen und deren Erfahrungen beruhen auf der Vergangenheit.
Der Kontext ist allerdings enorm wichtig.
Eine Lösung kann in Kontext A wunderbar Funktionieren, aber wenn sich die Rahmenbedingungen ändern und das vermeintliche Expertenwissen in Kontext B angewendet wird, kann es zu völlig falschen Ergebnissen führen. Jetzt meint man, ja, aber als Experte weiß man das ja und passt es dann an. Diese Fähigkeit besitzen aus meiner Sicht aber nur die wenigsten. Wir sind eben doch noch sehr stark Gewohnheitstiere.
Besonders im Beratungskontext werden die erarbeiteten „Wissenskonserven“ noch zu gerne so oft wie möglich wiederverwendet, um auch möglichst effizient zu sein. Dies ist Teil des systembedingten Geschäftsmodells der Berater-Gilde.
Wenn man denkt bzw. vorgelebt bekommt, dass man als Berater für alles die Lösung mit dabei hat, sind dies für mich nicht wirklich hilfreiche Kompetenzen.
Benötigt werden aus meiner Sicht viel mehr Visionäre, Entrepreneure, Seher, Träumer, Spinner. Nur sie bringen einen aufs nächste Level.
Berater haben zudem die systembedingte Eigenart auch Aufträge anzunehmen, die sie für nicht wirklich Zielführend für den Kunden ansehen. „Ich weiß schon, dass das nicht funktionieren wird, aber wenn ich mich richtig positioniere und das suboptimale Ergebnis nicht auf mich zurückfällt, bekomme ich auch gleich noch den Folgeauftrag…“
Viele Berater glauben auch von sich selbst, dass sie alles wissen da dies ihnen ab Jobstart „eingeimpft“ wird. Als Berater gehört man ja auch zur „Odkotür“ der Wissensträger. Aber genau diese „Einbildung“ erachte ich in der heutigen Zeit sogar für gefährlich. Im Rahmen der Industrialisierung bei sich nur langsam ändernden Rahmenbedingungen und Wissensinhalten war dies eine durchaus sinnvolle und hilfreiche Vorgehensweise.
Zu schnell ändern sich aber mittlerweile die Rahmenbedingungen und Wissensstände in unserer vernetzten Welt. Zu schnell funktioniert das, was bisher als „Best Practice“ (was nichts anderes als ein Blick in die Vergangenheit darstellt) angesehen wurde, nicht mehr. Man berät also mit Lösungen aus der Vergangenheit. Mit derartigen Denkmustern und Verhaltensweisen fällt es dementsprechend schwerer loszulassen, sich zu verändern, neue Lösungen zu sehen, zu konzipieren und nutzbar machen zu können.
Aber genau das sollte unser Anspruch sein. „Stay open, stay foolish“ heißt hierbei ein für mich passenderes, halb von Steve Jobs geborgtes, Selbstbild.
Ein reales Beispiel (ca. 2016): Ein mittelständisches, international tätiges Unternehmen, möchte innovativer werden, da die Konkurrenz global ansteigt und sich dies auch auf ihre Märkte auswirkt. Es wird ein Berater engagiert, der in diesem Fall auch als Workshop-Moderator dienen soll. Das Ziel des Kunden heißt Einführung eines Stage-Gate Modells zur Verbesserung des Innovations Managements. Und schwupp werden 2-3 Workshops durchgeführt bei denen der Berater ca. 5.000-8.000€ verdient. Das Ziel ein Stage-Gate Modell zu entwicklen wird erreicht.
Bloß nicht das Ziel hinterfragen, sondern es einfach erreichen, heißt hierbei oft das Motto. Der Berater weiß allerdings, dass solch umfangreich strukturierte Prozesse ein Killer für Innovationen sind. Aber dies hebt man sich lieber für einen Folgeauftrag auf…
In dem Workshop wurde von mir, in der Rolle eines Assistenten, einmal angemerkt, dass man bei Innovationsprozessen die potenziellen Kunden doch immer soweit wie möglich einbinden sollte. Nachdem der Auftraggeber dies mit fragendem Blick zurückwies, wurde weiter im Takt verfahren… Es wurde das getan, was der Kunde schon so ca. im Kopf hatte. Hauptsache der Kunde ist danach zufrieden. Das ist er am ehesten, wenn man seine Sprache spricht und seine Idee aufnimmt und diese noch leicht ausschmückt. Also mit etwas von seinem „Expertenwissen“, aus anderen, vergangenen Projekten, anreichert.
Die neuen, und in unserem Umfeld zurzeit passenderen Methoden aus dem Lean Startup Bereich wurden in unserem Fall einfach nicht angesprochen. Daraus könnte dann ja noch ein Folgeauftrag entstehen, wenn das Stage-Gate Modell nicht angenommen wird bzw. nicht zu mehr Innovationen / neuen Produkten führt… 😉 Aber zuerst müssen noch alle Gate-Keeper Dokumente ausgearbeitet werden. Da sind bestimmt 5-10 Beratertage drin… Und der neue Prozess muss auch noch implementiert werden… Ein Fest!
Generell sehe ich ein Problem darin, dass Wiederworte und den „Finger in die Wunde legen“ vom Auftraggeber zumeist doch eher unerwünscht sind.
Zudem hat man als Berater angst, danach keine Aufträge mehr zu bekommen, da man zu oft widersprochen hat. Dienen anstatt helfen, heißt deshalb oft das Motto von Beratern.
Doch wie ist deren Geschäftsmodell? Wo liegen die systembedingten Fehler? Was sollte sich ändern?
Mehr dazu in Part 2 des Artikels hier.